German article about the release of ICBYD

Blindenfilm, Schwerhörigenmusik,
Salatblattmidifizierung und
cheesy Monatshygiene-Werbebeschallung


Natürlich hat das neue James-Album "...I Care Because You Do" entgegen meiner Meinung nichts damit zu tun, daß es ihn plötzlich interessiert, was Leute über seine Musik denken, und er nun "freundlich" zu seinen Hörern sein will. Nach dem x-ten Interview ist er zwar immer noch sehr freundlich und nett drauf, aber nicht aus reiner Menschenliebe, sondern weil schließllich jedes Lächeln, bzw. jede Story jedes davon beeindruckten Redakteurs Platten verkauft. Und auch diese Story dient eigentlich nur dem Zwecke, diesen armen Menschen nicht bei Mc Donalds arbeiten lassen zu müssen.

Das viele, viele Geld, das er statt dessen so verdient, ist natürlich sinnvoll angelegt. Wenn er nämlich diesen Monat mit seinem Panzer nach Istrien rollt, um ein paar von diesen Rip-Off-Pseudoraveveranstaltern, die immer so tolle Namen auf dem Papier haben (wobei höchstens zwei Acts davon wissen), wegzupusten, benötigen der edle Ritter und sein Gefährt natürlich jede Menge Diesel, Bronchiallachgas und Bleikugeln. Als Hardcore-Vegan und eher "shy & silent person" hätte Herr James aber auch die Möglichkeit, in ein holländisches Glasgewächshaus zu ziehen, dort ein "Anti-Cold Meat Industrial"-Label mit dem Namen "Cucumber Calx Records" zu gründen und Platten mit Salatblattmidifizierungen zu veröffentlichen. Zwar ist diese - mit Verlaub - Unternehmensberatung recht "weird", da James aber APHEXgrundsätzlich nie das tut, träumt, hört oder sieht, was andere schon vor ihm getan, geträumt, gehört oder gesehen haben, völlig unoriginell, "unwicked".

Wie waren denn die Reaktionen des Publikums auf seine ureigenen, garantiert noch nie dagewesenen Karottenzerraspelmaschinen- und Sandpapierschallplatten-DJ-Sets? "Es war als Witz gemeint. Einige haben den Witz verstanden, andere nahmen es sogar richtig ernst und mochten es. Wiederum andere fühlten sich angegriffen." Salatblattmidifizierung, Karottenzerraspelmaschinen? Ich stelle eine fleischlich bezogene Frage, mehr als Gag: Hat er, wo es mit PIRELLI so gut lief, je von TAMPAX eine Anfrage bekommen, seinen '92er Hit "Tamphex" ("Are you one of those girls where the time stands still once a month?") für ihre Werbung benutzen zu dürfen? "Nein, aber es war schon immer ein Wunsch von mir, eine 'cheesy' Musik für TAMPAX-Werbung zu schreiben." Ups.

Ein weiterer gescheiterter Versuch, sein schräges Tun irgendwie "fassbar", "verständlich" zu machen, war, ihn zu fragen, ob Teile seiner Produktionen (im speziellen die "Selected Ambient Works Vol. 2") was mit den für uns wohl stark wirklichkeitsverzerrten und wahnhaften Bildern und Musiken, die im Kopf von jemandem stattfinden, der gleichzeitig blind und schwerhörig ist, zu tun haben. Zu gern maße ich mir beim Hören von "S.A.W. Vol. 2" an, mir diesen mir unbekannten Geisteszustand, dieses Kopfleben ... vorstellen zu können. "Nein ..., ich weiß zwar, was du meinst ..., aber so hört es sich nicht für mich an ... Trotzdem wäre ein Einblick in so ein Hirn äußerst 'wicked'." Wicked. Sein Lieblingswort.

Irgendwie wicked alles so.


Sascha Schierloh (1995)